Sonntag, 18. August 2013

Kommentar



Homophobie in Russland

Zu Zeiten der großen Pharaonen hat man in Ägypten die Namenskartuschen und Bildnisse in Ungnade gefallener Pharaonen entfernt, weil man glaubte, wenn man alle Namen und Bildnisse eines Menschen auslöscht, so entzieht man ihm auch die Existenz im Jenseits.

In Russland gibt es seit einiger Zeit etwas ganz Ähnliches. 2013 wurden in Sankt Petersburg und elf weiteren Regionen Russlands auf kommunaler Ebene Verbotsgesetze verabschiedet, die so genannte „homosexuelle Propaganda in der Öffentlichkeit“ unmöglich machen sollen, und in noch mehr Regionen werden ähnliche Gesetze geprüft.  Im offiziellen Sprachchargon nennt sich dieses Gesetz „Verbot der Propaganda von nicht-traditionellen sexuellen Beziehungen gegenüber Minderjährigen“. Ein Moskauer Gericht hat diesbezüglich erst kürzlich sogar alle CSD-Demos für die nächsten 100 Jahre verboten.

Nun kann man ja zu politischen Entscheidungen stehen wie man will. Schlimmer hätte es jedoch die Schwulen und Lesben Russlands nicht treffen können. Wenn man über das Thema Homosexualität nicht sprechen darf und jegliche Aufklärung bereits als schwule Propaganda gilt, die mit Haftstrafe geahndet werden kann, dann macht man diese Leute mundtot. Natürlich gibt es Homosexualität auch weiterhin. Aber die Politiker und Bürger Russlands können sich in der Vorstellung wähnen, dass Homosexualität in Russland schließlich gar nicht existiere. Gleichzeitig führen hunderttausende Menschen ein Leben in ständiger Angst vor Verfolgung und, was das Schlimmste ist, ohne jeglichen Anspruch auf Liebe und Geborgenheit. Ganzen Generationen wird das Leben gestohlen, ein Leben in Freiheit und Entfaltung der eigenen Persönlichkeit.

Mindestens genauso schlimm ist meines Erachtens, dass die westliche Staatengemeinschaft, die EU wie auch die UNO wieder einmal tatenlos zusieht und nicht gewillt ist, auch nur das Mindeste zu unternehmen.  Und das wo doch am 17. Juni 2011 der UN-Menschenrechtsrat offiziell mit der Resolution A/HRC/17/L.9/Rev.1 erstmals einen Beschluss zur Beendigung der staatlichen Diskriminierung sexueller Minderheiten geschaffen hatte.

Hauptsache alle Geschäfte gehen weiter. Und während der Gedanke der Olympischen Spiele der Neuzeit eigentlich von Toleranz, Freiheit und Völkerverständigung geprägt sein sollte und die Akzeptanz der sexuellen Orientierung sogar in den Statuten der Olympischen Spiele fest verankert ist, kann man spätestens seit den Spielen in Peking sehen, wie weit die Wirklichkeit davon entfernt ist.

Nun sprechen sich viele Menschen jedoch gegen ein Boykott der Olympischen Spiele in Sotchi 2014 aus. Sie sind der Meinung, man könne mit sportlichen Leistungen sehr viel besser gegen homophobe Gesetze  protestieren. Aber ist das wirklich so? Wer weiß denn eigentlich, welcher Sportler überhaupt schwul ist, wenn der Betreffende noch nicht einmal eine völlig simple und harmlose Regenbogenflagge als Sticker tragen darf. Und selbst wenn doch, glaubt wirklich jemand ernsthaft, dass in Regenbogenfarben lackierte Fingernägel auch nur einen einzigen homophoben Politiker hinter dem Ofen hervorlocken, geschweige denn eine ernsthafte Diskussion entfachen? Die Haltung des IOC ist dabei ganz einfach: Solange die schwulen und lesbischen Sportler sich anscheinend wie ihre heterosexuellen Kollegen benehmen, wäre alles in Ordnung. Aber kann das denn die Lösung sein? Kann man wirklich von einen Menschen verlangen, bsw. seinen langjährigen Lebenspartner oder sogar schwulen Ehepartner zu verleugnen, nur um äußerst fragwürdige, lebensfremde und sogar menschenrechtsfeindliche Gesetze zu achten?

Immer wieder hört man, dass die Sportler schließlich sehr hart und lange auf dieses Sportereignis hingearbeitet hätten. Deshalb dürfe man Sie nicht durch ein Boykott bestrafen. Alles schön und gut sage ich, aber fest steht dann leider auch, dass während die Sportler der Welt in erster Linie an ihrer sportlichen Karriere denken, werden Homosexuelle geschlagen, geprügelt, vieler Grundrechte beraubt und gewissermaßen zu „Vogelfreien“ erklärt, kurz, zu Individuen degradiert,  die man jederzeit und überall mit Hass und Verachtung strafen kann.  Und all das geschieht während die Welt sportliche Triumpfe feiert und das IOC energisch darauf verweist, das Politik und Olympia gefälligst nicht vermischt werden dürften und jeder Sportler kategorisch disqualifiziert würde, der dies vergessen sollte.

Aber geht es wirklich nur um Politik? Geht es nicht eigentlich um nichts Weniger als die wesentlichsten Bedingungen einer Demokratie überhaupt? Demokratie ist nicht einfach nur eine simple Wahl und Benennung einer Mehrheit, derer sich eine Minderheit unterzuordnen hat.  Dieser Logik nach wäre selbst das Nationalsozialistische Deutschland ein demokratisch gewählter Staat gewesen, zumindest bis zu den Ermächtigungsgesetzen. Nein, die Grundlage für jegliche Demokratie ist die Freiheit eines jeden einzelnen Individuums. Und dazu gehört auch die Freiheit der sexuellen Orientierung. Erst wenn die Freiheit aller Bürger eines Staates gewährleistet ist, kann man sich daran machen eine echte Demokratie aufzubauen. Insofern entziehen sich Fragen nach der Anerkennung der sexuellen Orientierung jeglicher demokratischer Entscheidungsfindung. Sie gehören statt dessen zu den vielen Grundbausteinen der Demokratie. Über Menschenrechte gibt es nun einmal nichts zu diskutieren. Entweder es gibt sie oder es gibt sie nicht.

Zum Schluss möchte ich meiner Meinung Ausdruck verleihen, dass ich glaube, dass sich derartig menschenverachtende und rückschrittlichen Gesetze nicht ewig halten können. Die Globalisierung, nicht zuletzt auch durch das Internet, wird auch vor Russland nicht halt machen. Letztendlich wird die Geschichte derartig homophobe Politiker wie Putin genauso hinwegfegen wie Unrechtsstaaten und Diktaturen.

Homophobes Russland

Das Gesetz des Landesist unvereinbar mit den Idealen des Sports  
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