Homophobie
in Russland
Zu Zeiten
der großen Pharaonen hat man in Ägypten die Namenskartuschen und Bildnisse in
Ungnade gefallener Pharaonen entfernt, weil man glaubte, wenn man alle Namen und Bildnisse eines Menschen auslöscht, so entzieht man ihm auch die Existenz im
Jenseits.
In Russland
gibt es seit einiger Zeit etwas ganz Ähnliches. 2013 wurden in Sankt Petersburg
und elf weiteren Regionen Russlands auf kommunaler Ebene Verbotsgesetze
verabschiedet, die so genannte „homosexuelle
Propaganda in der Öffentlichkeit“ unmöglich machen sollen, und in noch
mehr Regionen werden ähnliche Gesetze geprüft.
Im offiziellen Sprachchargon nennt sich dieses Gesetz „Verbot der Propaganda
von nicht-traditionellen sexuellen Beziehungen gegenüber Minderjährigen“. Ein
Moskauer Gericht hat diesbezüglich erst kürzlich sogar alle CSD-Demos für die
nächsten 100 Jahre verboten.
Nun kann man
ja zu politischen Entscheidungen stehen wie man will. Schlimmer hätte es jedoch
die Schwulen und Lesben Russlands nicht treffen können. Wenn man über das Thema
Homosexualität nicht sprechen darf und jegliche Aufklärung bereits als schwule
Propaganda gilt, die mit Haftstrafe geahndet werden kann, dann macht man diese
Leute mundtot. Natürlich gibt es Homosexualität auch weiterhin. Aber die
Politiker und Bürger Russlands können sich in der Vorstellung wähnen, dass Homosexualität in Russland schließlich gar nicht existiere.
Gleichzeitig führen hunderttausende Menschen ein Leben in ständiger Angst vor
Verfolgung und, was das Schlimmste ist, ohne jeglichen Anspruch auf Liebe und
Geborgenheit. Ganzen Generationen wird das Leben gestohlen, ein Leben
in Freiheit und Entfaltung der eigenen Persönlichkeit.
Mindestens
genauso schlimm ist meines Erachtens, dass die westliche
Staatengemeinschaft, die EU wie auch die UNO wieder einmal tatenlos zusieht und
nicht gewillt ist, auch nur das Mindeste zu unternehmen. Und das wo doch am 17. Juni 2011 der
UN-Menschenrechtsrat offiziell mit der Resolution A/HRC/17/L.9/Rev.1 erstmals
einen Beschluss zur Beendigung der staatlichen Diskriminierung sexueller Minderheiten
geschaffen hatte.
Hauptsache
alle Geschäfte gehen weiter. Und während der Gedanke der Olympischen Spiele der
Neuzeit eigentlich von Toleranz, Freiheit und Völkerverständigung geprägt sein
sollte und die Akzeptanz der sexuellen Orientierung sogar in den Statuten der
Olympischen Spiele fest verankert ist, kann man spätestens seit den Spielen in
Peking sehen, wie weit die Wirklichkeit davon entfernt ist.
Nun sprechen
sich viele Menschen jedoch gegen ein Boykott der Olympischen Spiele in Sotchi 2014 aus. Sie sind der Meinung, man könne mit
sportlichen Leistungen sehr viel besser gegen homophobe Gesetze protestieren. Aber ist das wirklich so? Wer
weiß denn eigentlich, welcher Sportler überhaupt schwul ist, wenn der
Betreffende noch nicht einmal eine völlig simple und harmlose Regenbogenflagge
als Sticker tragen darf. Und selbst wenn doch, glaubt wirklich jemand ernsthaft,
dass in Regenbogenfarben lackierte Fingernägel auch nur einen einzigen homophoben
Politiker hinter dem Ofen hervorlocken, geschweige denn eine ernsthafte
Diskussion entfachen? Die Haltung des IOC ist dabei ganz einfach: Solange die schwulen
und lesbischen Sportler sich anscheinend wie ihre heterosexuellen Kollegen
benehmen, wäre alles in Ordnung. Aber kann das denn die Lösung sein?
Kann man wirklich von einen Menschen verlangen, bsw. seinen langjährigen
Lebenspartner oder sogar schwulen Ehepartner zu verleugnen, nur um äußerst fragwürdige, lebensfremde und sogar menschenrechtsfeindliche
Gesetze zu achten?
Immer wieder
hört man, dass die Sportler schließlich sehr hart und lange auf dieses
Sportereignis hingearbeitet hätten. Deshalb dürfe man Sie nicht durch ein
Boykott bestrafen. Alles schön und gut sage ich, aber fest steht dann leider
auch, dass während die Sportler der Welt in erster Linie an ihrer sportlichen
Karriere denken, werden Homosexuelle geschlagen, geprügelt, vieler Grundrechte
beraubt und gewissermaßen zu „Vogelfreien“ erklärt, kurz, zu Individuen
degradiert, die man jederzeit und
überall mit Hass und Verachtung strafen kann. Und all das geschieht während die Welt
sportliche Triumpfe feiert und das IOC energisch darauf verweist, das Politik
und Olympia gefälligst nicht vermischt werden dürften und jeder Sportler
kategorisch disqualifiziert würde, der dies vergessen sollte.
Aber geht es
wirklich nur um Politik? Geht es nicht eigentlich um nichts Weniger als die
wesentlichsten Bedingungen einer Demokratie überhaupt? Demokratie ist nicht
einfach nur eine simple Wahl und Benennung einer Mehrheit, derer sich eine
Minderheit unterzuordnen hat. Dieser Logik
nach wäre selbst das Nationalsozialistische Deutschland ein demokratisch
gewählter Staat gewesen, zumindest bis zu den Ermächtigungsgesetzen. Nein, die
Grundlage für jegliche Demokratie ist die Freiheit eines jeden einzelnen
Individuums. Und dazu gehört auch die Freiheit der sexuellen Orientierung. Erst
wenn die Freiheit aller Bürger eines Staates gewährleistet ist, kann man sich
daran machen eine echte Demokratie aufzubauen. Insofern entziehen sich Fragen
nach der Anerkennung der sexuellen Orientierung jeglicher demokratischer
Entscheidungsfindung. Sie gehören statt dessen zu den vielen Grundbausteinen der
Demokratie. Über Menschenrechte gibt es nun einmal nichts zu diskutieren. Entweder
es gibt sie oder es gibt sie nicht.
Zum Schluss
möchte ich meiner Meinung Ausdruck verleihen, dass ich glaube, dass sich
derartig menschenverachtende und rückschrittlichen Gesetze nicht ewig halten
können. Die Globalisierung, nicht zuletzt auch durch das Internet, wird auch vor
Russland nicht halt machen. Letztendlich wird die Geschichte derartig homophobe
Politiker wie Putin genauso hinwegfegen wie Unrechtsstaaten und Diktaturen.
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